Vor einigen Wochen war das Bild eines kleinen ertrunkenen Jungen, der bei der Flucht vor dem Krieg ertrank, in allen Nachrichten zu sehen. Viele Herzen wurden schwer und auch offen für die Flüchtlinge. Nun sind die Bilder der Opfer für etliche in Vergessenheit geraten. Sie sehen die Berichte und Diskussionen im Fernsehen, die Kosten, welche für den Andrang der Flüchtlinge anfallen werden und der ein oder andere gerät ins Wanken. Sobald man selbst ein wenig Einschränkungen hat oder gar noch Steuergelder für so etwas, wie Menschen die aus anderen Ländern stammen, opfert. Neee, hier hört die Nächstenliebe oft auf, um ehrlich zu sein, endet diese bei dem ein oder anderen ja schon direkt beim Nachbarn.
Ich muss zugeben, dass es mir derzeit in den sozialen Netzwerken oft hoch kommt. Nicht weil manche einfach ihre Meinung äußern...wir leben in einem freien Land und jeder hat das Recht eine Meinung zu haben und diese zu äußern. Nein, mich machen diese unwahren Posts unglaublich traurig.
Diese fiktiven Zahlen, was eine Flüchtlingsfamilie vom Staat an Geld bekommt, wie sie Bahnhöfe hinterlassen, dass sie Cola anstatt Wasser trinken wollen etc.....Was ich damit meine? Auf Facebook sind unzählige absurde Hochrechnungen im Umlauf von ausgedachten Zahlen, die völlig utopisch sind und fleissig geteilt werden. Wen es tatsächlich interessiert, nein, ein Flüchtling bekommt keine 670 Euro, die derzeit Ankommenden erhalten Sachspenden und ein Taschengeld um die 140 Euro, und wer wissen mag, was die eigene Region ca. zahlt, der braucht es nur zu googeln. Oder da wird ein Bahnhof in Budapest gezeigt, an dem die Flüchtlinge gehortet wurden und auf einmal losziehen sollten. Die Titelierung des Posts heißt aber: Der Münchner HBF seit dem die Flüchtlinge da sind, möchtet Ihr, dass es bei Euch auch so aussieht?
Oder wie die Flüchtlinge im Hungerstreik sind, weil man sie nicht weiterziehen lassen wollte und deshalb das Wasser abgelehnt und weggestellt haben...hier der tolle Titel: Sieht so Hungersnot aus, die Flüchtlinge wollen lieber Cola !!! Oder ein Video eines schimpfenden wütenden südländischen Bürgers, der allerdings sagt, warum nennst du mich Arschloch? Ja, schön provozieren, dann filmen und auf Facebook hochladen mit dem Vermerk, teilen erwünscht, bravo! Und da könnt ich noch so ein paar Knaller nennen, wie das Zipfelmännchen aus Schokolade von einem Discounter....ja, in Deutschland hat man nun panische Angst, dass uns die Flüchtlinge den Nikolaus wegnehmen und im nächsten Atemzug wird von Volksverrat gesprochen!
Konsequenz des ganzen, man könnte nun einfach die Freunde aus der Freundesliste rausnehmen, die solche Unwahrheiten oder Hetzereien posten und man bräuchte sich nicht ärgern. Das ändert aber leider gar nichts daran, dass Solches immer weiter verteilt wird. Drum behalte ich diese Freunde lieber, schreib einen Kommentar darunter, wenn eine Unwahrheit derart offensichtlich ist. Entweder es passiert nix, es wird der Post gelöscht, oder ich werde entfreundet, alles schon passiert. Abgesehen davon ist dem ein oder anderen eventuell auch nicht bewusst, dass es eine Riesenlüge ist, die er oder sie hier weiterleitet. Kleiner Tipp, oft bringt ein Durchlesen der Kommentare des ursprünglichen Posts Auflösung.
Wie ich oben bereits schrieb, jeder hat ein Recht auf seine Freiheit, der Meinungsäusserung, drum will ich auch niemanden kritisieren, wie er zu dem Thema Flüchtlinge steht und finde es absolut legitim, hierzu kritische Zeitungsberichte etc. zu teilen, verlinken oder ähnliches. Wer allerdings menschenverachtende Posts teilt oder gar selbst noch schreibt, rassistische Äusserungen von sich gibt und ähnliches muss schlichtweg mit Kritik rechnen und sich nicht mukieren, wenn er nicht mal seine Meinung sagen darf und über den "Gutmensch" herziehen.
Es wird auch geschimpft, dass mittlerweile ja sowieso schon soviele ausländische Kinder in den Schulen sitzen und die deutschen Schüler in der Minderheit sind. Wenn dem so ist, können wir heilfroh sein, dass soviele Menschen anderer Nationen in unserem Land leben und ihre Kinder hier aufwachsen lassen. Denn in Deutschland leben ja sowieso schon zu wenig junge Menschen und unsere Renten könnten wir denn wohl gleich abhaken.
Übrigens ist der Vater meines Mannes ein Libanese, der mit Anfang 20 nach Deutschland kam, um für das Fernmeldeamt zu arbeiten und an der Nordsee seine große Liebe fand und dort auch blieb. Somit sind mein Mann, wie auch meine zwei Kinder Migranten. Auch meine beiden Schwestern haben Südländer geheiratet und haben mittlerweile Kinder. Wißt Ihr, all unsere Kinder werden fast identisch aufgezogen, obwohl unsere Ehemänner alle unterschiedlicher Glaubensrichtungen angehören. Wir feiern zusammen Weihnachten und auch Ostern. Ich weiß nicht, wovor alle Angst haben, aber keiner der hier ankommenden Menschen, wird jemandem den Glauben wegnehmen, wenn dieser das nicht selbst will.
Aber um auf den Ursprung meines Posts zurück zu kommen: ich möchte nur dazu anstossen, mit etwas mehr Verantwortung Inhalte im Internet zu teilen. Denn was mir momentan am meisten Sorgen bereitet, sind all die Hetze und die Agressivität, die hier Menschen entgegenschlägt, die aus ihrer Heimat geflohen sind, weil dort ein Krieg wütet, in den keine Regierung Bodentruppen schicken mag, weil dort die Kämpfer aufs brutalste morden. Wir haben nicht einmal eine Vorstellung, was vielen dieser Menschen wiederfahren ist. Aber alleine das Wissen, welche Gefahren sie auf sich genommen haben um nach Europa zu kommen (etliche haben dabei ihre Partner, Kinder, Eltern oder Freunde verloren) das müßte uns eigentlich bewußt machen, dass sie dies nicht mit dem Hintergedanken "nu mach ich mir nen lauen Lenz in Deutschland" taten, sondern aus Not.
Allein aus menschlicher Sicht kann ich gar nicht anders denken, als dass ich Jedem wünschen mag, dass dieser Schutz in unserem Land findet. Mir ist durchaus bewußt, dass unsere Regierung derzeit schlichtweg überfordert ist und viel zu spät reagiert hat. Aber das können wir nicht den Flüchtlingen ankreiden. Begegnet diesen Menschen nicht mit Hass und Vorurteilen! Sie haben sich ihr Schicksal nicht aussuchen können und verdienen eine faire Chance sich integrieren zu können.